Der Wind hat uns letzte Nacht kräftig durchgeschüttelt. Ab heute geht es wieder südwärts und irgendwie herrscht Abschiedsstimmung, obwohl wir noch 10 Tage Urlaub haben. Unser Weg soll uns über Alta, quer durch die Finnmark über Keitokeino nach Finnland führen. Aber erstmal müssen wir zurück nach Honningsvåg und runter von der Halbinsel Magerøya. Wir genießen noch mal die Aussicht auf die Felsen und das Weite Meer, bevor uns der Nordkapptunnelen verschluckt. Dann geht es den Porsangerfjord, über dem die Sonne und blauer Himmel strahlen, entlang.
Aber nicht nur das Wetter macht uns den Abschied schwer. Kurz vom Abzweig nach Havøysund staut es. Eine Baustelle, allerdings macht uns das freundliche „Ampelmännchen“, die hier in Persona anzutreffen sind, keine Hoffnung auf schnelles Weiterkommen. Die Straße wird jetzt kurzerhand mal für mind. eine Stunde gesperrt. Es gibt keine Umleitung oder Alternativstrecke. Aber wenn wir ehrlich sind: Es gibt schlimmere Orte um zu warten. Und so stellt Marco das Gas an, ich koche eine Tasse Kaffee und wir verbringen die Zwangspause in der Sonne am Fjord. Stellt euch diese Situation mal in Deutschland vor. Ich glaube das hätte das „Ampelmännchen“ nicht ohne Blessuren überlebt.
Wie versprochen, geht es nach ca. einer Stunde weiter. Bei Olderfjord geht es für uns rechts ab, auf die E6, Richtung Alta. Hier gibt es über Kilometer nur Landschaft. Kein einziger Ort, nur ein paar Ferienhäuser, vielen Seen und Flüsse & wieder jede Menge Rentiere. Es geht immer gerade aus, der Wind pustet kräftig von der Seite und die Straße gleicht wieder einer Achterbahn. Am Rande stehen tausende vertrocknete Birkenstämme und wir fragen uns, was das Birkensterben wohl verursacht?
Ca. 80 Kilometer vor Alta steigt unser Navi aus. Es meldet eine Straßensperrung wegen Bergungsarbeiten: „Bitte drehen sie um und nehmen die alternative Route über Lakselv und Karasjok nach Alta“! Aus 80 werden plötzlich 300 Kilometer und aus 1 Stunde Fahrtzeit 5 1/2 Stunden. „Spinnt die?“ – es gibt allerdings keine andere Abkürzung! In der Hoffnung, dass die Sperrung vielleicht aufgehoben wird, bis wir dort ankommen, entscheiden wir uns der ursprünglichen Route zu folgen. Sollte es nicht so sein, suchen wir uns ein schönes Plätzchen und übernachten. Ob das die Richtige Entscheidung war? Zwischendurch wird aus der Bergungsmeldung eine „Straßensperrung, wegen Bauarbeiten“. Die Norweger scheinen ihre Straßen vorm Winter noch instandsetzen zu wollen. Oder sie wollen uns einfach nicht gehen lassen. An der Straßensperrung angekommen, reihen wir uns in die Schlange ein. Es scheint sich wirklich um eine Baustelle zu handeln und wir hoffen, dass es sich wie bei der vorherigen um eine kurzweilige Sache handelt. Zwangspause, die Zweite: Es gibt Träubchen mit Käse und Nüsse als Nervennahrung und wir lauschen unserem Hörbuch. Zwischendurch geht es immer mal wieder einen Meter voran, aber nicht wesentlich. Wir sind mittlerweile der festen Überzeugung, dass die Norweger uns nicht gehen lassen wollen. Nach 1 1/2 Stunden tut sich was: Der Gegenverkehr wird durchgelassen und die Kolonne scheint kein Ende zu nehmen. Das macht Hoffnung, dass es auch für uns bald weitergeht. Und so ist es, wir passieren die Bau- bzw. Bergungsstelle. Ein Baustellenfahrzeug war in die Böschung gerutscht. Endlich dürfen wir weiter nach Alta. Zum Glück, denn der Bauch drückt. Die meisten denken jetzt „ihr habt doch ein Klo auf vier Rädern“. Aber, wer schon mal ein Camperklo ausleeren durfte, weiß, warum bei uns nur das kleine Geschäft darin landet. Unsere Stellplatz- App verspricht eine kostenlose und saubere Toilette im Hafen von Alta. Was sie allerdings nicht verrät: Die Toilette ist im Gebäude der Dusche, die 50 NOK kostet! Alles halb so wild, wenn man zum Bezahlen nicht noch eine App herunterladen und seine Kreditkartendaten im Kopf haben müsste. So schaffen wir es, nach nervösem Trappeln vor verschlossener Tür, auf den letzten Drücker. Soviel zum Thema „Camperanekdoten“ – Alta wird uns wahrscheinlich nicht nur wegen seiner imposanten Nordlichtkathedrale in Erinnerung bleiben!
Nach Alta folgen wir dem Altaelva, der irgendwann zum Kautokeinoelva wird. Beeindruckende Seenlandschaften, Felsschluchten und Wasserfälle erwarten uns. 80 Kilometer vor Kautokeino finden wir einen ruhigen und windgeschützten Übernachtungsplatz neben einem Wasserfall. Und während nebenan das Wasser donnert, halten wir mal wieder verzweifelt Ausschau nach Nordlichtern, denn die App meldet über 40% Wahrscheinlichkeit. Blöd nur, dass der Himmel die schönen Lichter in dunkle Wolken hüllt.
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