Da sind wir nun also: Santiago di Compostela, die berühmte Pilgerstadt im Nordwesten Spaniens. Circa 2500km haben wir zurückgelegt und sind quer durch  das Baskenland, Kantabrien, Asturien und Galicien gefahren. Wir sind angekommen. Hier trifft Jung auf alt, Tradition auf Moderne, Geschichte auf Mythen. Wir stehen oberhalb der Stadt in der Nähe des Flughafens auf dem Campingplatz. Nach dem Frühstück bezahlen wir erstmal unsere Schulden, denn wir konnten gestern ja nicht persönlich einchecken. Nachdem alles erledigt ist, knobeln wir aus, ob wir mit Pablo in die Stadt fahren oder den Bus nehmen. Die Haltestelle ist quasi direkt vor der Tür  und wir könnten uns die aufwändige  Parkplatzsuche ersparen. Allerdings müssten wir den Platz bis 15:30 Uhr verlassen. Die Wahl fällt auf den Bus und trotz Marcos Bedenken läuft alles wie am Schnürchen: wir bezahlen jeder 1€ pro Fahrt und kommen entspannt in der Stadt an.

Am Plaza de San Roque steigen wir aus und laufen in die Altstadt. Hohe Gassen, die immer wieder einen neuen Blick auf historische Gebäude eröffnen. Auf dem Kopfsteinplaster, in den Giebeln oder an den Fassaden: überall begegnet uns das Symbol des Jakobswegs – die Jakobsmuschel. 

Wir biegen um die Ecke und kommen an den Plaza del Obradoiro. Hier treffen sich Pilger aus aller Welt, ob jung oder alt. Alle erschöpft, aber glücklich. Einige Jubeln bei ihrer Ankunft und ernten Applaus, andere sitzen oder liegen besonnen auf dem Platz und saugen die Atmosphäre auf. Eine ganz besondere Stimmung liegt in der Luft und ich bekomme Gänsehaut. Demütig stelle ich mir immer die selbe Frage: Was bewegt Menschen, solche Strapazen auf sich zu nehmen? Einige von Ihnen sind den Camino francés gelaufen – 730 km, Andere den Camino de Fisterra mit 120km. Egal auf welchem Weg, die letzten 100 km führen immer nach Santiago de Compostela. Die Pilgerurkunde bekommt übrigens jeder, der diese letzten 100km bis Santiago de Compostela gelaufen ist. Auch Radfahrer gelten als Pilger, wenn sie die letzten 200km gefahren sind. 

Für alle hier ist ein Traum in Erfüllung gegangen: Die legendäre Kathedrale zu  betreten. Der Überlieferung nach sind hier die Überreste des Apostels Jakobus begraben, die im 9. Jh. wiederentdeckt wurden. Neben der Kathedrale finden sich noch weitere historische Gebäude am Plaza del Obradoiro: Der Raxoi-Palast und das luxuriöse Hostal de los Reyes Católicos, das vermeintlich älteste Hotel der Welt. 

Natürlich wollen auch wir die Kathedrale von innen sehen und unser Versprechen einlösen. Also gehen wir einmal um das riesige Gebäude herum und stellen uns in der unendlich langen Schlange an. Als wir hineinkommen, strahlt uns der Altar entgegen, davor schwebt der Botafumeiro, ein riesiges Weihrauchgefäß und das bekannteste Symbol der Kathedrale. 

Wir zünden die versprochenen Kerzlein an und schlendern anschließend noch durch die Altstadt. Um das bunte Treiben zu beobachten und weil die Sightseeingtour hungrig macht, suchen wir uns ein kleines Bistro am Rande der Altstadt. Es ist spannend zu beobachten, wieviele Menschen, mit Rucksäcken und Wanderstöcken bewaffnet, in die Stadt strömen. Manche getrieben von Euphorie, manche humpelnd und am Ende ihrer Kräfte. Übrigens: Bis Mitte Juli 2024 registrierte das Pilgerbüro fast 250.000 Jakobspilger, 15 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Santiago de Compostela selbst hat nur rund 96.000 Einwohner. Entsprechend voll ist es mittlerweile in der Altstadt. 

Für uns wird es langsam Zeit aufzubrechen. Nicht ohne vorher noch den typischen Pilgerkuchen zu kaufen, die „Torta de Santiago“ – der traditionelle Mandel-/ Marzipankuchen mit dem charakteristischen Jakobskreuz. Wir nehmen den Bus zurück zum Campingplatz und entscheiden uns, obwohl es schon 16:30 Uhr ist, weiter in Richtung Leon zu fahren. Der Betreiber des Platzes ist kulant und wir müssen den 2. Tag nicht extra bezahlen! 

Wiedermal geht es über die Autobahn und je weiter wir ins Landesinnere kommen, desto mehr verändert sich die Landschaft. Grüne, bewaldete Hügel wechseln sich mit rauer Steppenlandschaft und rotem Sandstein ab. Während der Fahrt hören wir, inspiriert vom heutigen Tag: „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling. Nebenbei suche ich einen passenden Stellplatz, was heute wieder mal schwer fällt, denn erst der dritte Platz, den wir anfahren, sagt uns zu. Er liegt abgelegen an einem Stausee. Wir fallen ins Bett und verarbeiten den Tag. 

Morgen wird dann wieder das Parkplatzorakel entscheiden, ob wir uns Leon oder Burgos ansehen. Desweiteren müssen wir noch an die Detailplanung unserer Rückreise ran, denn mittlerweile sind wir schon 2 Wochen unterwegs und irgendwann geht jede Reise zu Ende. 


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