Die Nacht war gut, keine besonderen Vorkommnisse & die Morgenroutine erledigen wir trotz „Blut-im-Kopf-Stellung“ routiniert. Gestern Abend hatte die Blogschreiberin „frei“ und deshalb muss sie heute früh „ran“. Das dauert natürlich seine Zeit und wir kommen wieder recht spät los. Aber was soll’s, wir haben ja schließlich Urlaub. Auch wenn Marco schon befürchtet nie in Santiago de Compostela anzukommen und mir ständig vorrechnet, wie lange wir schon gebraucht haben um hierher zu kommen, bin ich optimistisch, das wird schon.
Für heute ist als grobes Ziel BILBAO gesetzt: Allerdings schlängeln wir uns erstmal die kurvenreiche BI3438 durch urwaldähnliche Wälder entlang. Immer wieder öffnet sich der Blick auf die dunklen, eisenhaltigen und schroffen Felsen der Küste und das azurblaue Meer. Wilder Eukalyptus steht am Wegesrand. Lekeitio lassen wir links liegen. Hier gibt es zwar tolle Strände und eine süße Altstadt, allerdings ist Stadtfest und alle Parkplätze sind überlaufen.
Wir passieren die Fischerorte Elantxobe & Mundaka und landen schließlich in Bermeo, bis 1602 die Hauptstadt Biskaias. Hier soll es ebenfalls eine schöne Altstadt mit bunten Fischerhäusern geben. Allerdings verbringen wir erstmal eine Stunde damit einen Parkplatz zu finden, was nicht unbedingt an Pablos Größe liegt, sondern an der generellen Parkplatzsituation im Ort. Vielleicht sind am heutigen Samstag auch einfach zu viele Spanier unterwegs. Kurz bevor ich aufgeben und weiter ziehen möchte findet „Adlerauge“ Marco doch noch einen Platz und so machen wir uns auf den Weg in die Altstadt. Wir durchqueren das einzig noch erhaltene Stadttor, bevor es hinunter zum Hafen geht. In den engen Gassen gibt es jede Menge kleiner Bars, die gut gefüllt sind. Es wird getrunken, gelacht und Fußball geschaut. Je weiter wir uns dem Hafen nähern, desto lauter wird das Rauschen der Menschenmassen. Hier „steppt der Bär“ – ein Männerchor singt Seemannslieder, alle sind blau-gekleidet und tragen blau-weiße Halstücher. Mir geht ein Licht auf: Heute wird Arratzale Eguna (Tag der Seeleute) gefeiert, deshalb der Trubel.
Da uns die Bars und Cafés zu voll sind, verlegen wir unsere Mittagspause in Richtung Gaztelugatxe. Hier befindet sich eine, Johannes dem Täufer gewidmete, Einsiedelei aus dem 10. Jahrhundert. Eine enge Steinbrücke aus dem 10. Jahrhundert verbindet sie, über 241 Stufen, mit dem Festland. Und wer „Game of Thrones“ gesehen hat, dem kommt der Zugang wahrscheinlich bekannt vor. Er wurde in der 7. Staffel als Kulisse für den Drachenfels auserkoren. Leider können wir uns, trotz eifrigen Trainings, nicht die Stufen hoch quälen, denn der Zugang wird beschränkt und die freien (und auch kostenlosen) Tickets sind heiß begehrt. Allerdings kann man zum Aussichtspunkt wandern und ein schönes Erinnerungsfoto machen. Wir sind jedoch nicht die einzigen, die auf diese Idee kommen und bevor wir uns zum Fotoshooting einreihen, machen wir erstmal am Rastplatz oberhalb der Einsiedelei unsere wohlverdiente Pause. Der Wind ist kühl, aber die Sonne wärmt uns. Wahrscheinlich hätten wir einfach hier bleiben und die Aussicht genießen sollen, denn was uns am Parkplatz der Einsiedelei erwartet, kann man gar nicht in Worte fassen. Der untere Parkplatz ist mal wieder für 3,5-Tonner gesperrt. Allerdings wäre der obere, kleinere Parkplatz frei zugänglich, wenn diesen nicht jeder PKW panisch ansteuern würde, aus Angst keinen Platz mehr zu bekommen.
Also wartet Marco bis er für Pablo einen Platz ergattern kann und ich laufe schon mal, am fast leeren, unteren Parkplatz vorbei, zum Aussichtspunkt. Auch hier wieder eine Enttäuschung, denn der schönere Blick auf die Einsiedlei bleibt nur denen vorbehalten, die ein Ticket ergattern können. Alle anderen müssen mit dem Standard vorlieb nehmen. Genervt hechle ich den Berg wieder rauf und bin froh dem Trubel entflohen zu sein. Nach der ganzen Aufregung beschließen wir uns einen Stellplatz zu suchen. Etwas Außerhalb von Bakio finden wir ein ruhiges Plätzchen mit schöner Aussicht. Drei Mal dürft ihr raten worauf: San Juan de Gaztelugatxe! „Hier bleibe ich definitiv nicht“ schießt es mir über die Lippen und Marco legt den Rückwärtsgang ein. Er wollte sowieso noch etwas an Strecke machen und so fahren wir weiter in Richtung Bilbao.
Kurz vor Armintza machen wir eine skurrile Entdeckung. Hinter einem Pampasgras-Wald versteckt sich ein Lost-Place der besonderen Art: Das verlassene Kernkraftwerk Lemóniz. Ihr fragt euch sicher, wie da ein Kernkraftwerk einfach mitten im Wald und ohne sichtbaren Schutz stehen kann. Was ist mit der radioaktiven Strahlung? Keine Panik! Denn nach vielen Protesten, einigen Anschlägen durch die ETA sowie mehreren Toten, wurde der Bau irgendwann Mitte der 80er Jahre eingestellt. Es war also nie aktiv.
Beruhigt können wir uns also der Weiterfahrt widmen. Es geht auf die Autobahn und vorbei an Bilbao bis nach Sonabia. Wir verlassen das Baskenland und erreichen Kantabrien. Hier soll es einen herrlichen Küsten-Stellplatz geben. Dort angekommen stellen wir aber fest, dass die Plätze recht beengt und überlaufen sind. Alles andere als „frei stehen“ also. Auch auf dem gegenüberliegenden Platz am Strand fühlen wir uns nicht wohl. Hier prangt ein Schild „Übernachten verboten“ an der Zufahrt. Die 20-30 spanischen Camper scheint es nicht zu interessieren, allerdings bereitet uns die Durchsage, dass der Platz nur noch eine Stunde geöffnet ist, Sorgen und so fahren wir weiter.
Marco hat noch einen Stellplatz in Islas ausgemacht. Es wird langsam dunkel und mich beschleicht das ungute Gefühl, dass wir heute keinen geeigneten Platz mehr finden werden. Tatsächlich, der Stellplatz existiert nicht mehr und ich habe nur noch ein Ass im Ärmel: Hoch über der Stadt auf einer Wiese. Der Weg dahin gestaltet sich schwierig, aber Marco gibt nicht auf. Wir müssen nicht auf der Straße oder unter der Brücke übernachten, sondern blicken auf die Lichter und die Bucht von Islas. Und dank der angefallenen Überstunden und aufregenden Momente heute, fallen wir müde und glücklich ins Bett. Zum Einschlafen schmökern wir dann noch im Reiseführer: „9 Tipps für einen perfekten Tag im Santander“ (wenn man einen Parkplatz findet)!
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