Wir werden von einem fröhlichen Hupen geweckt und fragen uns: „was ist denn jetzt los!?“ Da fährt jemand hupend über den Platz und zieht definitiv die Aufmerksamkeit auf sich. Als wir die Rollos hochschieben verstehen wir was es damit auf sich hat. Die Botschaft lautet: „Raus aus den Federn, kommt und kauft frisches Baguette und Croissants oder Pain au chocolate“. Und wir fühlen uns sofort angesprochen! Wer würde dazu auch „Nein“ sagen?
Die Morgenroutine schaffen wir ohne Tür, Dosenöffner oder Multitool und vor allem ohne Überschwemmungen. Und sogar die Sonne blinzelt durch die dunkelgrauen Wolken. Bis zur Abfahrt bringen wir Pablo noch auf Vordermann und lassen unsere Wäsche eine Runde in der örtlichen Waschmaschine drehen. Der einzige Haken: Petrus hat den Spül- und Trockengang verwechselt und die Himmelspforten geöffnet. Wäsche trocknen ist also nicht mehr drin. Es gilt also mal wieder ein Hindernis zu überwinden und so spannen wir die Trockenleinen einfach in Pablo. Nach dem zweiten Pain au chocolate geht es Richtung Biarritz. Der Spiessroutenlauf mit unserem 3.5-Tonner ist eröffnet und wir irren durch die Gassen. Zum Glück ist nicht viel los und wir können erstmal am Leuchtturm (Phare de Biarritz) parken. Von hier oben hat man einen herrlichen Blick auf die Stadt, die früher Kaisern und Königen vorbehalten war. Das ehemalige Fischerdorf hat sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die regelmäßigen Sommerbesuche von Kaiser Napoleon III. zum Seebad entwickelt. Heute flanieren hier Surfer mit ihren bunten Boards durch die Straßen.
Die Entstehungsgeschichte der Stadt klingt wie im Märchen: Das arme Fischermädchen Miarritze sah im Traum einen bunten Vogel, der einen Fisch mit goldenen Schuppen im Schnabel trug – ein Zeichen für den Reichtum, der die armen Fischer in der Zukunft erwarten sollte.Als ein Schiff mit Seefahrern (Biarrins) strandete, nahm das Fischermädchen sie auf. Sie wurde die Frau des Anführers und der heutige Name der Stadt war geboren: Biarritz! Und auch der Reichtum kam mit dem Walfang im Mittelalter in die Stadt.
Der Leuchtturm ist leider geschlossen und es fängt auch wieder an zu regnen. Parken dürfen wir hier oben nur 90 Minuten und einen Schirm haben wir auch nicht dabei. Während Miri gedanklich schon den Einkaufszettel schreibt (Dosenöffner, Kochlöffel und Regenschirm), suche ich einen Parkplatz in der Stadt. Das gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen und nach etlichen Runden durch die engen Gassen geben wir auf und fahren weiter in Richtung San Sebastian. Aber nicht ohne ein Bild vom Rocher de la Vierge zu machen- dem bekannten Felsen im „Port Vieux“. Hier strahlt die schneeweiße Marien-Statue schon seit 1864 als Symbol für die sichere Heimkehr der Fischer in den Hafen von Biarritz. Die Idee den Felsen mit dem Festland zu verbinden kam übrigens von Napoleon- umgesetzt wurde sie von Gustav Eiffel.
Unsere Fahrt geht weiter an der Küste entlang. Herrschaftliche Häuser, Pinienwälder und immer wieder der Blick aufs tosende Meer. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen und da wir in Biarritz keinen Parkplatz gefunden haben, versuchen wir unser Glück in Saint Jean de Luz. Nicht so bekannt wie Biarritz, aber mindestens genauso schön und geschichtsträchtig. Wir stellen Pablo in der Nähe des Hafens auf dem städtischen Campingplatz ab und laufen in die Stadt. Hier wurde am 09. Juni 1660 ein besonderer Pakt zwischen Frankreich und Spanien geschlossen, als der Sonnenkönig Louis XIV die Infantin Maria Theresia von Spanien heiratete – beide süße 22 Jahre alt.
In der ganzen Stadt wandelt man auf den Spuren des Sonnenkönigs: Ob in der Kirche Saint-Jean Baptiste, dem Maison Louis XIV oder dem Maison de l‘infante. Überall gibt es etwas zu sehen, dazwischen Bistros, kleine Geschäfte mit baskischen Spezialitäten oder Kunsthandwerk. Miri ist beim Lesen des Reiseführers über das Wort „Baskische Macarons“ gestolpert und steuert zielgerichtet das Maison Adam an. Somit wäre das erste Mitbringsel in unserem Rucksack gelandet- nur die Frage ob sie die Heimfahrt überleben.
Wir könnten uns noch länger hier aufhalten, allerdings wollten wir dem Blog-Titel „Nordspanien“ irgendwann gerecht werden und endlich mal den Grenzübertritt wagen. Also befreien wir Pablo aus der Zwangsgefangenschaft und fahren los. Um 17:49 Uhr haben wir es geschafft- wir setzen Pablos Reifen ganz unspektakulär und ohne jeglichen Hinweis eines Länderwechsels, auf spanischen Grund.

Da für mich bald Feierabend ist, hat Miri den Stellplatz schon ausgesucht, heute wieder etwas Abseits des Trubels. Allerdings glaube ich, sie bereut ihre Wahl bei der Anfahrt schon wieder, denn der Weg dorthin ist abenteuerlich und sie stirbt zwischendurch 1000 Tode. Aber der Platz ist jeden Tropfen ihres Angstschweißes wert. Wir stehen in den Bergen hoch über Hondarriba, mit Blick aufs Meer und die Sandstrände der Bucht auf der einen und die Berge auf der anderen Seite. Umringt von viel Natur, grasenden Pferden und Schafen.
Leider zieht es sich wieder zu und fängt an zu regnen. Nachdem die Kombüsen-Chefin unseren Hunger gestillt hat und es eine Macarons-Verkostung gab, machen wir es uns gemütlich, kuscheln uns in unsere Decke und schmökern im Reisführer. Morgen wollen wir den berühmten „San Sebastian-Cheesecake“ sowie „Pintxos“ testen und natürlich auch die urige Altstadt besichtigen. Hoffentlich bei viel besserem Wetter, als dem gemeldeten. Also Petrus, bitte nicht wieder den Trocken- mit dem Spülgang verwechseln! Zumindest so lange, bis Miri Punkt drei ihrer Einkaufsliste abgearbeitet hat (nein, ich meine nicht den Dosenöffner)! Und wenn alle Stricke reißen, dann laufen wir eben auch im Neonprenanzug durch die Stadt. In diesem Sinne „Buenas noches a felices sueños“.

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