Wir schlafen aus! Heute haben wir keine Termine und Marco hat sich eine Fahrpause verdient. Nachdem wir die Morgenroutine hinter uns haben, gibt es um 11:00 Uhr ein Spätstück. Eingentlich liegen wir ja noch mitten in der Frühstückszeit, denn für deutsche Mägen ist es erst 10:00 Uhr.
Wir sitzen am Meer und die Sonne wärmt uns, während unsere Stellplatznachbarn (eine Familie mit zwei Kindern, die recht spartanisch unterwegs sind), ihre Morgenroutine im Fjord erledigen. Das Wasser scheint frostig und wir amüsieren uns über das Gequieke und Gequake! Wir verzichten auf ein erfrischendes Bad und machen uns gegen Mittag auf den Weg nach Rauma, eine der ältesten Städte in Finnland. Vom Schicksal vieler Holzstädte im Norden wurde Rauma zum Glück nicht ereilt – den letzten Großbrand gab es 1640 und so sind die ca. 600 bunten Holz-Häuser teilweise mehr als 350 Jahre alt.

Bevor wir die Altstadt erkunden, besichtigen wir die Heilig-Kreuz-Kirche. Ich setze mich zu einer alten Dame in die Kirchbank und sie erzählt mir im besonderen Dialekt Raumas von den Besonderheiten der Kiche. Nachdem die ältere, Ende des 15. Jahrhunderts errichtete, Dreifaltigkeitskirche beim Stadtbrand von 1640 zerstört wurde (ihre Ruinen sind aber bis heute erhalten), haben Franziskaner die Neue um 1520 erbaut. Der Kirchturm wurde 1816 angebaut und diente Seefahrern als Orientierungspunkt. Wir lassen die Dame in Ruhe weiter beten und ziehen durch die Altstadt.
Hier sieht es aus, wie in einem Freilichtmuseum. Jedes der bunten Häuser hat ein Namensschild, einige sind verlassen, andere beherbergen kleine Geschäfte. Manche könnten einen neuen Anstrich vertragen, andere sind prunkvoll geschmückt. Im ganzen Ort scheint die Zeit teilweise stehengeblieben. Plötzlich riecht es verführerisch nach Kaffee und wir entdecken ein süßes Café in einem Hinterhof. Allerdings ist uns noch nicht danach und so ziehen wir weiter. Zum Markt, am Kino vorbei und wieder zurück in Richtung Kirche.
In einem Schaufenster zieht uns ein Bär dann in seinen Bann! Er lockt mit frischem Gebäck und ebenfalls herrlichem Kaffeeduft. Jetzt können wir nicht widerstehen: Marco reserviert die Bank in der Sonne und ich besorge Kaffe und „Pulla“, die finnischen Zimtschnecken. Gestärkt und glücklich laufen wir zum Parkplatz zurück und entscheiden uns den nächsten Stellplatz anzufahren. Marco hat schon einen ausfindig gemacht: am Meer und wieder direkt am Golfplatz (scheint diesmal irgend so ein Ding zu sein).
Der Platz bietet ausreichend Stellfläche und liegt zwischen Meer und Golf-Green. Das einzige, was etwas irritiert, ist das „Bären machen Müll“ Schild. Mit Wildtier-Sichtungen hatte ich hier eigentlich nicht gerechnet!? Wir sind ausnahmsweise mal vor der Dämmerung am Stellplatz und wollen noch kurz an den Strand. Vorher halten wir noch ein kurzes Pläuschchen mit unseren Nachbarn aus Mannheim. Sie sind schon seit 2 Wochen in Finnland unterwegs und hatten bisher ausschließlich Regen! Wir hoffen, sie nehmen ihr Wetter morgen mit und wir dürfen unseres behalten!
Der Sandstrand ist weitläufig, aber das Wasser ist nicht sehr klar und müffelt etwas! Wir machen es uns erstmal vor Ragnar bequem. Nach dem Essen können wir ja noch mal zum Sundowner eine Runde drehen. Das Essen, draußen vor Ragnar, ist recht mückenlastig und wir verziehen uns nach drinnen, um mit der Reiseplanung und Berichterstattung weiterzumachen.
Pünktlich zum Sonnenuntergang geht’s noch mal zum Spaziergang an den Strand. Die Farben am Himmel reichen von orange- bis rosarot, aber es ist kalt und die Attacken der Stechviecher nehmen immer mehr zu. Also nehmen wir den Rückweg über die Stege durch den Wald und kommen durchgefroren bei Ragnar an. Marco hatte sowas wohl schon vermutet und vorher die Heizung angestellt. Eine finnische Sauna ist im Vergleich zu dem, was uns jetzt erwartet, allerdings eine Kühlkammer. „Heizung aus und Fenster auf“ sagt mein Reflex! Allerdings besinne ich mich wieder, denn es gibt schon genug Mückenstiche zu versorgen. Wir sitzen also die Hitze aus und behandeln unsere geschundene Haut.
Morgen geht es dann weiter auf der E8 in Richtung Vaasa und Kokkola. Dann hoffentlich ohne Mücken und mit vielen Elchen.
Wildtier- Sichtungen: 1-10-1-2 (Elch-Reh-Fuchs-Hase) + 1 seltsamer Lieferroboter
„Joutenolo“- Die finnische Philosophie des Nichtstuns: Das finnische Leben zeichnet sich durch Slow Living aus, was die Betonung von Entschleunigung, Naturverbundenheit und einem ausgewogenen Verhältnis von Arbeit und Entspannung bedeutet. Zentral für diese Lebensweise sind Sauna, Natur und einfache Freuden wie das Erholen am See und das Sammeln von Beeren. Die Finnen legen Wert auf ein bescheidenes, aber zufriedenes Leben, das durch soziale Unterstützung und Gemeinschaft geprägt ist.
Schreibe einen Kommentar