Ihr erinnert Euch: Gestern haben wir Pablo an diesem herrlich einsamen Ort abgestellt: Direkt vor einer verlassenen Kirche umgeben von kahler Landschaft. Was dann passiert ist? Nix für schwache Nerven!

Es ist 0:00 Uhr, 5 Grad Außentemperatur und der Mond scheint hell in unser Fenster. Eine Kirchenglocke läutet in der Ferne. Ich drehe mich um und will weiter schlafen als ein Schatten vorbeihuscht. Im Dämmerschlaf versuche ich meine Gedanken zu sortieren. Wir stehen hier auf einer Wiese vor einer verlassenen Kirche. Der nächste Ort ist weit entfernt. Die Glocke läutet wieder. Ganz zart und blechern, aber Moment mal, das Geräusch kommt doch von nebenan? Jetzt bin ich wach! Ich öffne unser Rollo ein kleines Stückchen und blicke auf die Kirche, die vom Mond angeleuchtet wird. Da, schon wieder- der Schatten! Mein Herz beginnt zu pochen und ich frage mich, ob mein Verstand mir einen Streich spielen will oder ob wir doch besser auf den sicheren Stellplatz im Ort gefahren wären. Jetzt erkenne ich die Silhouette einer Person, die vor der Kirche sitzt. Neben ihr steht ein Rucksack und in der Hand hält sie den typischen Pilgerstock. Sie blickt in unsere Richtung und mir läuft ein eiskalter Schauer über den Rücken. Als sie schwerfällig aufsteht und auf den Van zukommt, frage ich mich: „Was jetzt?“ Den Rollo wieder schließen und „tot“ stellen? Das wäre zu auffällig! Vielleicht braucht die Person Hilfe. Aber mitten in der Nacht? Wieder schellt die Glocke, irgendwie immer lauter, je näher die mysteriöse Person kommt. Und dann… werde ich schweißgebadet wach und merke, dass das einzige, was hier schellt der blöde Wecker ist!
Die Sonne scheint bereits über alle Berge, aber es ist wirklich kalt. Zum Glück hat Pablo eine Heizung. Mittlerweile mussten wir sie schon öfter anmachen als in Schweden und Norwegen. Obwohl es frisch ist, frühstücken wir draussen, denn die Sonne wärmt und wir sind noch immer ganz alleine auf unserem Feld vor der verlassenen Kirche.
Danach geht es nach Burgos. Ob uns die Stadt genauso überrascht, wie León? Ich kenne Burgos nur aus Erzählungen: Weit vor meiner Geburt, als meine Mama gerade das Abi in der Tasche hatte, ist die ganze Familie mit dem Auto nach Marokko gefahren. Was für ein Abenteuer! Ein prägender Zwischenstopp war damals Burgos, mit seiner beeindruckenden Kathedrale.
Schon der Name der Stadt weist auf ihren Ursprung hin, denn die Bezeichnung Burgos ist tatsächlich mit dem deutschen Wort Burg verwandt. Der Ort wurde als befestigte Siedlung gegründet und noch heute gehört die Festung zum Stadtbild.
Wir parken Pablo in einer Seitenstraße und flanieren den Paseo del Espolón, einen breiten, mit Platanen gesäumten Boulevard entlang. Es ist viel los und die „Burgaleses“, wie sich die Bewohner der Stadt nennen, haben sich herausgeputzt. Wir kommen uns zwischen den feinen Damen und Herren etwas fehl am Platz vor und ziehen weiter.
Über eine Brücke erreichen wir den Eingang in die Altstadt: das alte Stadttor, der „Arco de Santa María“ war Bestandteil der ehemaligen Befestigungsanlagen. Neben dem Tor steht die „Estatua de la castañera“, eine Hommage an die Damen, die auch heute noch im Herbst und Winter traditionell Maronen verkaufen.
Hinter dem Arco liegt der „Plaza del Rey San Fernando“, einer der traditionellen und zentralen Plätze in Burgos. Er ist gesäumt von hohen Häusern mit den klassischen spanischen Balkonen. Doch der Blick richtet sich sofort auf die größte Attraktion der Stadt, die Kathedrale von Burgos. Die „Catedral de Santa María“ zählt zu den schönsten und größten gotischen Kirchen in Spanien und ist UNESCO-Welterbe. Zwei 88 Meter hohe Türme erheben sich vor dem Burgberg in den Himmel. Der Bau der Kathedrale begann im Jahr 1221 unter der Herrschaft des Königs Fernando III., der auch den Beinamen der Heilige, El Santo, erhielt.
Heute scheint kein „normaler“ Samstag in Burgos zu sein, sondern Hochzeitstag! Überall begegnen uns Brautpaare und feine Hochzeitsgesellschaften, Konfetti ist vor der Kathedrale verteilt und dementsprechend ist die Kathedrale nicht zugänglich. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen und schauen dem bunten Treiben zu. So kommen wir immerhin in den Genuss der Aufführung einer Folkloregruppe, auch wenn wir uns gerne den Prunk in der Kathedrale angesehen hätten
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Irgendwann ziehen wir weiter durch die Stadt. Die Tapas-Bars sind gut gefüllt, man merkt, dass Wochenende ist. Und nachdem wir noch einmal einen Blick auf die Kathedrale geworfen haben, laufen wir zurück zu Pablo.
Von Burgos aus geht es durch karge und braungelbe Landschaft Richtung Saragossa. Die Schnellstraße hier heißt genauso wie der berühmte Pilgerweg „Autovia del Camino de Santiago“ und ab und an sehen wir auch ein paar Pilger auf dem Weg. Soweit das Auge reicht Sonnenblumenfelder und die Ausläufer der Berge im Norden, in Richtung Atlantik.
Wir passieren die Gegend „La Rioja“ den meisten wegen des guten Weines bekannt. Aber wo um Himmels Willen soll in dieser kargen Landschaft Wein wachsen? Auf der einen Seite rot-braun und vereinzelt mit Bäumen besetzt Hügel, auf der anderen Seite die Ausläufer der „Tolono mendilerroa“ grau und felsig. Und just als wir uns die Frage stellen, sehen wir die grünen Weinreben. Es folgt die „Ruta del vino“ und wir sehen nur noch Wein, Wein, überall Wein. Fast wie in der Vorderpfalz, nur noch mehr!
Gegen 20:00 Uhr erreichen wir unser heutiges Tagesziel: Arguedas. Hier gibt es leider keinen einsamen, sondern nur den örtlichen, aber kostenlosen Stellplatz. Vielleicht auch besser so, bevor mir mein Verstand wieder irgendwelche Streiche spielt. Es weht ein rauer Wind, aber die Gegend ist spannend und bietet einen wunderschönen Sonnenuntergang. Was wir hier erleben, seht ihr dann morgen.

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