Die Nacht auf dem Golfplatz war ruhig aber relativ kalt. Wir frühstücken in Ragnar auch wenn die Sonne uns lockt. Stechmücken und Kälte sind keine gute Kombi. Als ich nach hinten blicke, sehe ich, wie zwei Rehe friedlich die Rasenpflege des Golf-Greens übernehmen. Wieder eine Sichtung mehr für den Counter. Allerdings wäre ein Elch auf dem Green sicherlich spektakulärer gewesen! 

Wildtier-Sichtungen: 1-11-1-2 (Elch-Reh-Fuchs-Hase)

Heute wollen wir wieder etwas Strecke machen, denn der Norden scheint noch unendlich weit. Während Marco die endlos geraden Straßen entlang cruist, erledige ich die „Büroarbeit“: Einkaufszettel schreiben, den Blog von vorgestern tippen und recherchieren was es in der Umgebung Sehenswertes gibt. Beim Blick auf die Route, fällt mir ein interessanter Spot auf: „Die längste gerade Straße in Finnland“! Ich dachte immer die Straßen hier sind alle unendlich gerade. Da die E8 langsam monoton wird, fahren wir ab und schauen uns diesen, anscheinend erwähnenswerten, Weg an. Vielleicht ergibt sich unterwegs noch eine Möglichkeit um unsere Vorräte aufzustocken. 

Die Straße ist wirklich gerade und lang. Mehr gibt es hier nicht zu sehen. Außer vieler Bauernhöfe und Gewächshäuser, denn die Gegend um Närpes ist Zentrum des finnischen Gemüseanbaus. Hier  werden rund 60 % der finnischen Tomaten und ein Drittel der finnischen Gurken gezogen.

Es geht weiter, vorbei an Kristinestad und Vaasa. Hier starten wir den Versuch eines Einkaufs beim ortsansässigen Lidl. Und wieder merke ich, dass ich dieser Sprache nicht Herr werde. Alleine die Suche nach Schlagsahne stellt eine Herausforderung dar: cream, créme oder panna lässt sich noch herleiten aber kermavaahtoa? Und selbst der KI-Übersetzer setzt bei dieser Sprache aus. Ich greife also etwas, was unserer Sahne verpackungsmässig nahe kommt und erledige den Rest des Einkaufs in ähnlicher Weise. Ich glaube, das wird ein lustiges Kochen. Die Ortsnamen sind hier übrigens genauso lustig und lassen uns jedes Mal schmunzeln, wenn sich selbst das Navi dabei verhaspelt. Marco meint immer „die Ortsnamen klingen wie Dinosauriernamen“. Versucht mal „Äteritsiputeritsipuolilautatsijänkä“ fehlerfrei und flüssig auszusprechen! 

Damit wir heute nicht nur fahren, machen wir eine kurze Pause in Kokkola, dem eigentlichen Ziel für heute. In Neristan, der Altstadt, soll eines der größten Holzhausquartiere in ganz Finnland zu besichtigen sein. Hier hausten einst Seeleute und Handwerker und wir schlendern durch die idyllischen, aber auch menschenleeren Gassen. Marco wünscht sich einen Kaffee und da ich irgendwo gelesen habe, dass es im Museumsviertel ein tolles Waffelcafé (Vohvelikahvila) geben soll, machen wir uns auf die Suche und werden in einem gemütlichen Innenhof fündig. 

Wem sagt Löfbergs-Kaffee noch was? 2022 bei unserer Schweden-Rundreise haben wir  die Rösterei in Karlstad entdeckt – hier wird er serviert. Wer sich jetzt fragt, haben die Finnen keine eigene Rösterei, dem sei gesagt, dass es an Finnlands Westküste viele schwedischsprachige Gebiete gibt. Finnland gehörte sogar bis 1809 zu Schweden, wodurch Schwedisch zur führenden Sprache wurde. Auch danach blieb Schwedisch Amtssprache und ist neben Finnisch die zweite Nationalsprache des Landes. Schwedisch wäre mir auch lieber, als Finnisch, denn selbst beim Lesen der Speisekarte steht uns „Bahnhof“ ins Gesicht geschrieben – Ihr könnt ja mal einen Blick auf die Karte werfen. Zum Glück sprechen die Finnen ausgezeichnetes Englisch und so kann ich eine „Äppel Våffla“ und eine „Hillovohveli“ bestellen. 

Gut gesättigt geht es noch zur „old petrol station“, einer Tankstelle an der die Zeit stehen geblieben sein soll. Zumindest teilweise, denn eigentlich sind nur das Schild und die zwei Zapfsäulen „Retro“. 

Langsam wird es Zeit einen Stellplatz zu finden und so machen wir uns auf den Weg nach Karleby. Hier soll es einen schönen Platz im Bootshafen geben. Er überzeugt uns allerdings nicht und daher fahren wir die Alternative an. Die Anfahrt ist etwas spooky, denn sie führt uns an verlassenen Häusern und Höfen vorbei. Der Hafen wirkt auch recht verlassen, aber wir suchen uns einen Platz mit Fjordblick. Einziger Wehrmutstropfen: Hier sind noch mehr Mücken als am Golfplatz letzte Nacht, viel mehr- aber ich habe vorgesorgt und packe den Thermacell aus. Hoffentlich verziehen sich die Biester! 

Wir machen es uns in Ragnar bequem und Essen noch ein Finn-Brötchen zu Abend. Zwischendurch besuchen uns noch zwei freche Bachstelzen um von Ragnars Außenspiegel aus den Sonnenuntergang zu bewundern. Morgen geht’s dann entlang der unendlich scheinenden E8 in Richtung Polarkreis. 


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